sie war sicherlich schon an die 70. ihr gesicht war von falten überzogen. tiefe furchen, wie spuren, die ein intensives leben hinterlassen hatte. ihre augen waren mit einem blauen kajal umrandet. schimmernder lidschatten hatte sich in ihren augenfalten abgesetzt. und ihre schlecht gefärbte, in die jahre gekommene vokuhila-frisur war nur der gipfel der geschmacklosigkeit. sie stöhnte laut auf. "oh man ich hab keine lust mehr! wann bin ich endlich dran", jammerte sie in den raum. irritiert blickten die anderen im wartezimmer auf. vollends verwirrt über so viel schamlosigkeit. "mannooooo!" hemmungslos trommelte die frau auf den griffen ihres rollators. ihre hände waren knöchern und an jedem einzelnen finger war ein ring. allesamt in gold und silber - abwechselnd. ihr blaugrüner nagellack blätterte an einigen stellen ab. sie wirkte nervös. neben ihr saß ein junges mädchen. sie hatte ihre schulssachen rausgeholt und lernte. die alte beugte sich zu ihr rüber und raunte laut "du bist ziemlich fleißig oder?" ihre fahne nach billigen fusel zog bis zu mir rüber. das mädchen errötete und lächelte beschämt. in einer phase, in der ihr alles und jeder irgendwie peinlich war, machte die ansprache der alten, in einem raum voller fremder menschen, sie absolut befangen und unsicher. das schamgefühl war ihr ins gesicht geschrieben. ich selbst erwischte mich dabei, wie ich mir wünschte die frau würde einfach den raum verlassen. sie war laut. ungehalten. im grunde genommen einfach nervtötend. doch das schlimmste war: ich schämte mich für sie. voller fremdscham versteckte ich mich hinter einer völlig zerlesenen ärztezeitschrift. langsam aber sicher fing sie an mir leid zu tun. der mann neben mir schüttelte verächtlich den kopf. und ich war mir gerade nicht mehr sicher, was ich ekelhafter fand: die wahnsinnige nach alkoholstinkende alte oder die anderen, die zwar alle gut erzogen ordnungsbewusst den mund hielten, dafür aber vor hochmut, geringschätzung und überheblichkeit nur so strotzten.
Donnerstag, 25. Juni 2015
sie war sicherlich schon an die 70. ihr gesicht war von falten überzogen. tiefe furchen, wie spuren, die ein intensives leben hinterlassen hatte. ihre augen waren mit einem blauen kajal umrandet. schimmernder lidschatten hatte sich in ihren augenfalten abgesetzt. und ihre schlecht gefärbte, in die jahre gekommene vokuhila-frisur war nur der gipfel der geschmacklosigkeit. sie stöhnte laut auf. "oh man ich hab keine lust mehr! wann bin ich endlich dran", jammerte sie in den raum. irritiert blickten die anderen im wartezimmer auf. vollends verwirrt über so viel schamlosigkeit. "mannooooo!" hemmungslos trommelte die frau auf den griffen ihres rollators. ihre hände waren knöchern und an jedem einzelnen finger war ein ring. allesamt in gold und silber - abwechselnd. ihr blaugrüner nagellack blätterte an einigen stellen ab. sie wirkte nervös. neben ihr saß ein junges mädchen. sie hatte ihre schulssachen rausgeholt und lernte. die alte beugte sich zu ihr rüber und raunte laut "du bist ziemlich fleißig oder?" ihre fahne nach billigen fusel zog bis zu mir rüber. das mädchen errötete und lächelte beschämt. in einer phase, in der ihr alles und jeder irgendwie peinlich war, machte die ansprache der alten, in einem raum voller fremder menschen, sie absolut befangen und unsicher. das schamgefühl war ihr ins gesicht geschrieben. ich selbst erwischte mich dabei, wie ich mir wünschte die frau würde einfach den raum verlassen. sie war laut. ungehalten. im grunde genommen einfach nervtötend. doch das schlimmste war: ich schämte mich für sie. voller fremdscham versteckte ich mich hinter einer völlig zerlesenen ärztezeitschrift. langsam aber sicher fing sie an mir leid zu tun. der mann neben mir schüttelte verächtlich den kopf. und ich war mir gerade nicht mehr sicher, was ich ekelhafter fand: die wahnsinnige nach alkoholstinkende alte oder die anderen, die zwar alle gut erzogen ordnungsbewusst den mund hielten, dafür aber vor hochmut, geringschätzung und überheblichkeit nur so strotzten.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
write me some lovenotes.